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Process Mining – der Schlüssel zur erfolgreichen Prozessoptimierung?

Prozessanalyse, aber wie? Das Business Intelligence-Ökosystem hat seit dem Aufschwung von Big Data verschiedene Ansätze wie Data Mining und Predictive Analysis hervorgebracht. Nun richten immer mehr Unternehmen ihren Blick auf das sogenannte Process Mining. Zu Recht, denn der neue Trendansatz in der Datenanalytik kann etwas, was noch keiner so gut konnte: Nämlich die Verknüpfung zwischen der IT- und Business-Abteilung, also zwischen Software und den damit umgesetzten Prozessen, herzustellen.

Was ist Process Mining?

In jedem Unternehmen laufen täglich unzählige verschiedene Prozesse ab. Meist sind die Abläufe fest definiert und sogar automatisiert – dadurch soll die reibungslose Abwicklung der einzelnen Schritte sichergestellt werden. Doch wie sicher kann man sich wirklich sein? Je mehr Prozesse desto komplizierter die Verknüpfungen zwischen ihnen und desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sich Fehler einschleichen.

Präzise visuelle Darstellung

Was Unternehmen in den Zügen der Prozessoptimierung brauchen, ist eine Maschine, die in der Lage ist, jeden einzelnen Prozess zu erfassen – datengetrieben und weit weg von subjektiven Nutzerinterviews und alten Pflichtenheften in Papierform, die den Staub der Jahre tragen. Dank Process Mining wird genau das möglich. Prozesse bzw. die Daten, die sie hinterlassen, werden genau erfasst und anhand von Software rekonstruiert und analysiert. Durch eine visuelle, realitätsgetreue Darstellung der Prozessabläufe werden alle Fehler und Schwachstellen aufgedeckt und lassen sich entsprechend besser optimieren.   

Warum eigentlich Process Mining?

Sei es, weil ein Wechsel der Software bevorsteht  oder um den Unternehmenswachstum durch Prozessoptimierung voranzutreiben – die Gründe, warum Unternehmen den Blick nach innen richten, sind unterschiedlich. Durch eine tiefergehende Prozessanalyse, so wie sie im Rahmen des Process Mining angeboten wird, werden auch Prozesse greifbar, deren Existenz man zuvor nicht einmal vermutet hatte.

Die Antwort auf wichtige Prozess-Fragen

So lassen sich beispielsweise in der Welt des E-Commerce Ad-hoc-Fragen beantworten wie: Ist meine Bestellung in 80 Prozent aller Fälle innerhalb von zwei Tagen erfüllt und welche Gründe gibt es für die Ausnahmen? Welche sonstigen Möglichkeiten stehen zur Verfügung, um den Auftrag zu erfüllen und werden diese verwendet? Sind alle alternativen Prozessverläufe im System abgebildet? Größere Unternehmen wollen darüber hinaus wissen, ob Prozesse standortübergreifend harmonisiert sind. Und wenn nicht – warum? Mithilfe von Process Mining lassen sich solche und ähnliche Fragestellungen beantworten und so lange beobachten, bis die gewünschte Prozessverbesserung erreicht ist.

Process Mining vs. Standard Analyse

Ein besonderes Merkmal von Process Mining ist, dass die Software nicht nur Stichproben, sondern gleich alle Daten und Prozessvarianten innerhalb eines bestimmten Zeitraums behandelt. Dabei wird in der Gesamtheit der Daten nach Mustern gesucht, die anschließend graphisch aufbereitet werden – wichtige Kennzahlen inklusive. Das Ergebnis könnte man sich als einen Familienstammbaum vorstellen, der neben den Eltern, Großeltern, Onkeln etc. auch viele Verästelungen enthält – die „unehelichen Prozesskinder“ eben, die in der offiziellen Firmenplanung unentdeckt bleiben.

Process Mining in der Praxis

Die Einsatzgebiete von Process Mining sind vielfältig und die Praxis kennt bereits einige erwähnenswerte Beispiele. Sind Sie zum Beispiel Hersteller einer Software, interessiert es Sie vermutlich, wie Ihre unterschiedlichen Kunden Ihr Programm verwenden, um dadurch Rückschlüsse auf vermeintliche Schwachstellen oder Potentiale für das nächste Release ziehen zu können.

Nahezu unverzichtbar ist dagegen die Betrachtung auf Prozessebene, wenn Sie als Inhouse-Lösungsanbieter auf der Suche nach einer neuen Standardlösung sind oder eine Neuentwicklung planen. Sind alle bestehenden Prozesse in der neuen Umgebung abgedeckt und die Grundlage für eine Gap-Analyse oder die Requirement Definition gegeben? Zur Beantwortung dieser Fragen kommt Process Mining als zeitgemäße Analysemethode gerade richtig.

Souverän durch den nächsten Audit

Ein weiteres Beispiel für Process Mining liefert die nicht immer angenehme Situation eines Audits. Wäre es nicht viel leichter, wenn Sie in solchen Prüfungssituationen mit Process Mining aufzeigen könnten, dass die Prozesse in Ihrem Unternehmen in 99 Prozent der Fälle mit den vorgeschriebenen Qualitätsnormen konform gehen? Dafür reicht es, dass die Software die Anwender bei der Abarbeitung des Prozesses beobachtet und schon werden die benötigten Informationen feingranular in einem sogenannten Eventstream gesammelt. Letzterer gilt dann als Nachweis für die Qualität der Prozesse.

Process Mining Beschaffung der Daten

Möglichkeiten zur Beschaffung der Daten

Bevor das Process Mining überhaupt in Gang gebracht werden kann, müssen die benötigten Rohdaten im passenden Format herausgezogen werden. Dieser entscheidende Schritt stellt für die meisten Unternehmen eine Schwierigkeit dar – vor allem aufgrund der Beschaffenheit der Datenbank, die extrem komplex sein kann. Um die Rohdaten für das Process Mining zu extrahieren, haben sich vor allem drei verschiedene Methoden etabliert:

1. Logfiles

Den zugrundeliegenden Prozess mithilfe von Audit-Daten oder Workflow-Tracking-Informationen zu rekonstruieren ist der einfachste Ansatz. Gerade workflowbasierte Systeme, beispielsweise auf Basis von BPEL, sind perfekt dafür geeignet. Allerdings ist die Qualität der Ergebnisse eng mit der Existenz und der Datenqualität dieser Audit-Protokolle verbunden. Außerdem sind nicht alle Legacy-Anwendungen in der Lage, die benötigten Logfiles zu liefern. Selbst datenbankbasierte Anwendungen liefern in der Regel keine Audit-Daten auf Transaktionsebene – zumal nicht in der notwendigen Art der Granularität.

2. Nutzerinterviews

Können keine Logfiles für die Zwecke des Process Mining herangezogen werden, fragt man nicht selten direkt die Key-User und Prozessleiter nach dem aus ihrer Sicht idealen Zustand der Prozesse. Zeitgleich wird das Datenmodell geparst, um die Auswirkung des beschriebenen Prozesses innerhalb des Modells zu identifizieren. So wird es bei einer späteren Analyse möglich, anhand der gesammelten Daten die dahinterliegenden Prozesse rückwirkend anzunehmen. Die größten Nachteile dieses Ansatzes sind, dass er sehr zeitaufwendig und nicht präzise genug ist. Nicht analysierte Ereignisse und Prozesse oder solche, die keine signifikanten, eineindeutigen Änderungen im Datenmodell hervorheben, stellen ebenfalls ein Problem dar. Bei diesem Ansatz ist also viel mehr die Rede von einem „Process Guessing“ als einem Process Mining.

3. Künstliche Intelligenz

Ein selbst noch recht junger Ansatz in der ohnehin schon neuen Disziplin Process Mining, bei dem ähnlich wie beim Data Mining versucht wird, mit noch weiter entwickelten KI-Algorithmen Prozessmuster in den verschiedenen Datenpools zu identifizieren. Dieser Ansatz mag sehr innovativ sein, ist aber auch kostenintensiv und zeitaufwändig, da die Algorithmen eine tiefe Analyse und Lernphase benötigen, bevor sie mit Process Mining auf den Rohdaten losgelassen werden können.

Große Systeme mit konstanten Datenmodellen besitzen bereits vorkonfigurierte Exportstrecken, die in der Regel alle notwendigen Eventstream-Informationen liefern. So gibt es zum Beispiel für SAP, Microsoft Dynamics oder das Oracle E-Business Suite eine Reihe von Lösungen. Für Jedermanns-Software gibt es jedoch keine simplen Exportstrecken.

Die Alternative: Applikationssoftware

Gerade hier kommt ein vierter, alternativer Ansatz ins Spiel: Die Nutzung der Applikationssoftware zu beobachten. Wird ein Prozess als eine Abfolge von Interaktionen des Anwenders mit der Software innerhalb eines bestimmten Rahmens definiert, dann wäre die Beobachtung der Anwender bei der Abarbeitung des Prozesses ideal, um die Prozessinformationen feingranular in einen Eventstream zu schreiben. Damit wäre auch die Brücke zwischen Prozess und Daten geschlossen.

Ein Process Mining-Tool bildet dabei den Eventstream idealerweise nicht direkt innerhalb der Applikation ab, sondern gibt ihn eher über die üblichen Log-Mechanismen weiter. In der Welt von Oracle bieten zum Beispiel Applikationen auf dem WebLogic Server das Oracle Diagnostic Logging und somit umfangreiche Möglichkeiten zur Verwaltung von Informationen. Nutzern von Oracle ADF stehen die Framework-Extension-Classes zur Verfügung, während bei Java Web Services ein Java-Logger ohnehin verfügbar ist. Auch das nachträgliche Einfügen des Eventstream-Logging in eine Applikation ist möglich – dabei greifen Vererbungsmechanismen, Parser und Codegeneratoren ein.

Aufzeichnungs-Qualität verbessern

PITSS bietet darüber hinaus weitere Möglichkeiten, diese Informationen strukturiert und kontextabhängig in die Anwendung einzufügen. Durch die systematische Logging-Funktionalität wird eine höhere Qualität der Aufzeichnung gegenüber einem Mining auf dem Datenmodell sichergestellt, denn so wird die Aktion des Benutzers mit dem Prozess und den jeweiligen Daten verknüpft. Somit entfällt die Notwendigkeit eines Reverse-Engineerings, um von den Daten an die Ursachen zu kommen.

Außerdem wird ein weiterer positiver Nebeneffekt erzielt, der den drei ursprünglichen Methoden verborgen bleibt: Fehlen Einträge im Eventstream, bedeutet das, dass diese Prozessschritte, obwohl vorhanden, nie benutzt werden. Die Frage ist nun, ob der Grund hierfür Unwissenheit, „Falsch-Programmierung“ oder einen ganz anderen Grund zur Ursache hat. Mit dieser Fragestellung gilt es nun zurück in die Fachabteilung zu gehen um die Prozesse weiter zu verbessern.

Trends in der Process Mining-Landschaft

Trends in der Process Mining-Landschaft

Zurzeit  gilt es nach Meinung von Tobias Rother (Interview mit PITSS im November 2017, d.Red.), einem der Pioniere im Bereich Advanced Process Mining, in erster Linie die Voraussetzungen für einen einfacheren Einsatz von Process Mining in Unternehmen zu schaffen. Die Automatisierung der Prozessanalyse spielt dabei eine zentrale Rolle.

Im Weiteren sieht der Experte einen starken Trend in Richtung einer intelligenten Prozesssteuerung, vorausgesetzt man integriere Process Mining Komponenten in seine Infrastruktur. „Es ist auch davon auszugehen, dass Process Mining als Service immer wichtiger wird, weil es die Adaption der Methode für Anwender signifikant vereinfacht“, führt Tobias Rother aus. Zudem ist in nächster Zukunft mit einer stärkeren Fusion von künstlicher Intelligenz, Business Intelligence und Process Intelligence zu rechnen. Vor allem die Verknüpfung von Machine- oder Deep-Learning mit Process Mining-Verfahren birgt viele Chancen.

Fazit

Wer seine Prozesse möglichst schnell, präzise und effizient optimieren will, sollte unbedingt den Einsatz von Process Mining in Betracht ziehen. Mit ihrem starken Bezug zur Business Intelligence bietet die Methode ausgezeichnete Möglichkeiten, die Unternehmensprozesse und ihre komplexen Zusammenhänge zu strukturieren und analysieren und somit beste Voraussetzungen für Wachstum und Erfolg zu schaffen. Von den Vorteilen des Process Mining kann grundsätzlich jedes Unternehmen profitieren, unabhängig von der Größe seiner Applikationen. In den meisten Fällen ist es ratsam, sich einen erfahrenen Partner an seine Seite zu holen, der mit seinen erprobten, idealerweise toolgestützten Verfahren die Prozessanalyse durchführt. Planen Unternehmen die Anschaffung eines Process Mining-Tools, um die Methode dauerhaft in ihrem System zu verankern, dann lohnt sich ein Vergleich der erhältlichen Tools und ihren Funktionen.