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PITSS erhält Zuschlag für Förderprojekt des BMBF zur digitalen Softwaredokumentation – Interview mit Andreas Gaede, CEO PITSS

Nahezu jedes Unternehmen verfügt heutzutage über umfangreiche IT-Systeme, von denen die meisten eine gewisse Historie aufweisen. Unternehmensanwendungen, die über Jahrzehnte gewachsen sind, stellen Entscheider genauso wie die IT-Mannschaft vor große Herausforderungen. Was heute modern und zukunftsfähig ist, kann morgen schon veraltet und als Altlast hinderlich sein. Man bräuchte also die Möglichkeit, Anwendungen geeignet weiterentwickeln zu können – im Sinne einer nachhaltigen Anwendungsentwicklung.

Genau auf diesem Gebiet forschen und entwickeln die Modernisierungsexperten von PITSS. Sie revolutionieren die Anwendungsentwicklung indem sie auf produktbasierte Methoden bauen und die Werte von Altanwendungen in eine moderne IT-Welt überführen. Dieses innovative Denken und Handeln wurde jetzt als Förderprojekt des BMBF gewürdigt.

Herr Gaede, Sie werden mit Ihrem Forschungsvorhaben “Soft Proc, Entwicklung von Verfahren zur retrograden Prozessanalyse aus einer laufenden Applikation heraus” vom BMBF gefördert. Können Sie uns kurz erklären um was es dabei geht?

Software-Entwicklungen oder Modernisierungsvorhaben scheitern, verzögern sich und verschlingen Unsummen an Geld. Ein Hauptgrund dafür ist die Beherrschbarkeit, die meist auf fehlende Dokumentation der implementierten Software zurückgeht. Denn nur wer die Software versteht und durchdringt, kann auch sinnvoll mit ihr arbeiten. Gut dokumentierte Software spart enorme Kosten, vermeidet Fehler und erlaubt einen leichten Einstieg für neue Kollegen oder neue Entwicklungspartner.
Wir alle wissen, dass in der Praxis Anwendungen oder Anforderungen meist unter Zeitdruck entwickelt werden, gespart wird an der Dokumentation. Sobald die Anwendungen angepasst oder erweitert werden müssen, hilft diese spärliche Dokumentation nicht mehr weiter, sie erzeugt eher weitere Irritationen. In der Konsequenz explodieren die Kosten und Zeiten so wie das gesamte Vorhaben.
Daher entwickeln wir mit SoftProc ein neues Produkt, das eine implementierte Anwendung mit allem was sie ausmacht, vom Programm-Code bis hin zu seinen produktiven Prozessen, analysiert und zu einem für jedermann verständlichen Bild zusammenfügt. Eine Art Echtzeit-Dokumentation, die sich mit den aktuellsten Programmständen und mit Produktivdaten aus der laufenden Anwendungen speist. Dieses neue Wissen macht Entscheidungen wieder möglich und Implementierungen einfach und zuverlässig.

Und so etwas gibt es bislang noch nicht?

Nein. Es gibt zwar Analysetools, die sich mit Source-Code und Code-Qualität beschäftigen, aber keines davon betrachtet die komplette Anwendung bis zu den realen Prozessen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt, denn nur das Wissen, wie die Anwender mit der Anwendung umgehen, sagt wie der Programm-Code wirklich arbeitet. Eine Abhängigkeit von ehemaligen Entwicklern ist nicht mehr gegeben, man lernt und versteht die Software durch ihren Einsatz.
Ein gewaltiges Buzz-Wort der heutigen IT ist “Process Mining“, bei dem man sich der sog. Logfiles, also Protokolldaten, bedient, um einen Real-Prozess zu interpretieren. Was gut bei Standardprodukten funktioniert, stellt sich für Individual-Anwendungen als kaum lösbar dar. Daher setzen wir auf diesen neuartigen Ansatz, der alle Komponenten einer Anwendung erfasst, analysiert und verständlich darstellt – SoftProc.

Was für ein Produkt wird im Ergebnis entstehen?

In den kommenden zwei Jahren werden wir dem Markt Produkte vorstellen, die Anwendungen analysieren und gewonnene Informationen ansprechend präsentieren – dies auch als Cloud-Lösungen. Ein Forschungsschwerpunkt stellt dabei die Visualisierung der unterschiedlichen Informationen aus der Anwendung dar, die sich auf die jeweiligen Fragestellungen des Betrachters ausrichten, wie z.B. Code-Qualität, Objekt-Verwendungen, Funktionsketten, Abläufe, Testabdeckung, Datendurchsätze oder Performance-Aspekte. Diese neuen Produkte werden Unternehmen in die Lage versetzen, schnell und zuverlässig die richtigen Entscheidungen zu treffen und Entwicklungsprojekte zügig, gezielt und erfolgreich durchzuführen.

Für welche Unternehmen, Personen, Situationen und Anforderungen wird diese Software entwickelt?

Unsere Software zielt auf alle Unternehmen und Branchen, die eigene IT-Systeme entwickeln. Der Nutzen steigt extrem mit der Größe also der Komplexität einer Anwendung, da große Anwendungen naturgemäß am schwersten zu durchdringen sind.
Unsere Produkte liefern schon seit vielen Jahren Verantwortlichen bis hin zu CIOs, CTOs, CDOs etc., verlässliche Entscheidungsgrundlagen auf der Basis ihrer eigenen Systeme, ohne dass tiefe IT-Kenntnisse benötigt werden. Genauso richten sich die Produkte an Architekten und Entwickler, die informationsgestützt planen und zielorientier arbeiten wollen.
In der heutigen Zeit, sind wir einem hohen Druck ausgesetzt und unterliegen vielen Einflüssen. Häufig wechselnde Marktbedingungen, Unternehmensstrategien, Geschäftsbeziehungen, Verordnungen etc. machen ein schnelles Erfassen und Umsetzen notwendig. Oder die Unternehmen expandieren, fusionieren, erschließen neue Geschäftsbereiche und sie gießen all das in Software, koppeln Systeme, bauen Schnittstellen oder erweitern das Vorhandene. Dieses hoch dynamische Zusammenspiel von Geschäfts- und IT-Prozessen stets auf dem neuesten Stand dokumentiert, schafft ein Optimum von Aufwand und Kosten bei höchster Qualität.

Von welchen Forschungspartnern werden Sie begleitet und welche Rolle spielen diese?

Für die wissenschaftliche Expertise steht Herr Prof. Dr. Manfred Reichert, Leiter des Lehrstuhls DBIS – Institut für Datenbanken und Informationssysteme – der Universität Ulm, an unserer Seite. Er forscht und lehrt mit seinem Team im Bereich “Entwicklung innovativer Technologien für Business Process Management”. Prof. Reichert zählt zu den Vorreitern auf dem Gebiet agiler Prozess-Management-Technologien. Er hat hierzu eine Vielzahl von Publikationen veröffentlicht, ist mehrfach ausgezeichnet worden und genießt als Vordenker internationale Reputation. Seine Expertise und die seines Institutes steht unseren Kunden bereits während des laufenden Förderprojektes zur Verfügung, um ihre wertvollen Erfahrungen sowie Erwartungen frühzeitig in die Produktentwicklung einfließen zu lassen.

Was hat Sie zu diesem Forschungsprojekt angetrieben?

Schon in jungen Jahren konnte ich mich für das Abbilden analoger Handlungen und Arbeitsabläufe in unterschiedlichsten Programmiersprachen begeistern. Als Maschinenbauingenieur fasziniert mich dazu der ständig zunehmende Automatisierungsgrad, den man in Fertigungsverfahren und Produktionsprozessen schon lange anstrebt. Dabei steht von jeher die Beherrschbarkeit – in Form von Dokumentation – die Wiederverwendbarkeit von Prozessschritten sowie einfache Abläufe im Vordergrund, denn sie bestimmen entscheidend den Grad der Automatisierung.
Vielleicht entstand so der Ansporn und die Vision, Produkte zu entwickeln, die einen sehr hohen Automatisierungsgrad aufweisen, um so den enorm schnellen Wandel in der IT mit den Herausforderungen der Digitalisierung und einer nie endenden Modernisierung meistern zu können.

Vom Bund gefördert zu werden, ist eine große Auszeichnung. Was für eine Bedeutung hat dies für Sie und Ihr Unternehmen?

Unter über 6000 hoch innovativen Projektansätzen zu den ausgewählten Top 50 zu gehören, macht uns natürlich Stolz. Mehr aber ist es eine Wertschätzung für das große Engagement aller Mitarbeiter:innen der PITSS über viele Jahre und für unsere produkt-basierten Ansätze, Software-Entwicklung durch intelligente Automatismen zu optimieren.
An dieser Stelle gilt mein ganz besonderer Dank dem PITSS Team in den USA, UK und Deutschland, den Wegbegleitern, Familien und Freunden, genauso wie unseren vielen Kunden in über 40 Ländern weltweit, die diese Anerkennung möglich gemacht haben. Seit Jahren dürfen wir uns in unseren Projekten mit IT-Dienstleistern und Software-Abteilungen messen, die an dem traditionellen, personal- und kostenintensiven – aber auch fehleranfälligen – Kurs festhalten. Auch wenn hier noch die Sorge vor dem Neuen, dem Unbekannten überwiegt, nehmen wir wahr, dass immer mehr Unternehmen innovative, gangbare Wege suchen.
Das enorme Potenzial, das ein Produkt wie SoftProc für die IT in Unternehmen haben kann, wurde von den akademischen Fachgremien erkannt und mit dem Förderprojekt honoriert. Hier gilt unser Dank der Bundesrepublik Deutschland in Form des BMBF, für die Förderung unserer innovativen Gedanken und Ansätze. Uns bestätigt es darin, unsere Forschung & Entwicklung und die Praxiserprobung auf den Gebieten modernster Software-Entwicklung weiter ausbauen.

Welche Bedeutung haben Forschungsprojekte wie das Ihre für unsere Wirtschaft?

Das Denken in Deutschland ist mehr verhalten und konservativ. Gefühlt ruht man sich auf den Lorbeeren unserer Automobilhersteller und Maschinenbauer aus. Kommt man zur IT, die unweigerlich unsere Zukunft bestimmt, wird es nach SAP oder einem Unicorn wie Celonis schon recht dünn. Es wäre sehr schade, wenn Deutschland als ein Land der Dichter und Denker, das Bestreben, jegliches Analoge im Digitalen zu vernetzen, verschlafen würde. Innovation zu betreiben bedeutet, Ideen zu fördern, wo auch immer sie entstehen. Deshalb gilt unser Dank hier erneut dem BMBF mit seinem KMU Programm, das gerade kleine und mittelständische Unternehmen fördert, bei denen so viele Ideen und Innovationen schlummern.
Im Vergleich zu den führenden IT Nationen liegen wir dennoch weit zurück, um hier etwas zu verändern, bedarf es schon einen Wandel in unserem Denken, die Leistungsbereitschaft eines jeden Einzelnen und eine weit größere Wahrnehmung von gesellschaftlichen Pflichten unser großen, internationalen Konzerne, die auch aus einer einstigen Vision heraus entstanden sind. Genauso benötigt es eine höhere Investitionsbereitschaft von Banken und Investoren, um wirklich etwas anzuschieben.
Mit dem Projekt SoftProc verfolgen wir konsequent unsere Vision, dass der Mensch den enorm, schnell wachsenden Software-Bedarf, in Menge und Komplexität, nur erfolgreich managen kann, wenn er von intelligenten Produkten unterstützt wird. Eben solche Produkte zu entwickeln, ist unser Ziel. Denn Unternehmen so wie auch unsere Wirtschaft werden gezwungen sein, ihre IT-Vorhaben weit schneller und agiler umzusetzen, um in einer global digitalen Welt ihren Platz weiter vorne zu finden.

Unternehmer, CIOs, CTOs, CDOs, IT-Manager, Risk-Manager, Administratoren und auch Entwickler horchen jetzt sicher auf. Ab wann wird mit der Software zu rechnen sein? Und wie und ab wann kann man mit Ihnen in Kontakt treten, um mehr zu erfahren oder auch den Prototypen zu testen?

SoftProc wird über die nächsten zwei Jahren laufen, ein daraus resultierendes Produkt ist mit Ende des Projektes zu erwarten. Allerdings wird es auf diesem Weg immer Produktstufen zum Ausprobieren und Testen geben. Interessenten, wie auch Zweifler sind heute schon dazu eingeladen, sich mit uns in Verbindung zu setzen, um mehr über das Thema zu erfahren oder das Projekt aktiv zu begleiten.

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Weitere Informationen:
PITSS Unternehmenskommunikation
Cathrin Cambensi
ccambensi@pitss.com